
Grundsätzlich finden wir es super, wenn sich Medien sachkundig und unvoreingenommen mit der Berufsunfähigkeitsversicherung beschäftigen und Anstöße zur Absicherung geben. Außer wirklich sehr Vermögenden braucht jeder Erwerbstätige eine Absicherung seines Einkommens. Denn wenn dieses durch Krankheit oder Unfall wegfällt, stürzt man selbst finanziell in Richtung Sozialhilfeniveau ab.
Und das gilt für alle körperlich schwer Arbeitenden, aber gerade auch für Schreibtischtäter mit drohenden Bandscheibenproblemen oder Burnout.
Aber hier schon einmal das Fazit vorweg: Wie z.B. bei einer Waschmaschine oder einer Matratze den Testergebnissen zu vertrauen und nun einfach zu einem mit „Sehr gut“ bewerteten Anbieter zu gehen und einen Vertrag abzuschließen, davon raten wir dringend ab. Es geht zum einen um Leistungsansprüche im BU-Fall in Millionenhöhe. Und zum anderen gibt es im Detail einfach zu viele Kritikpunkte am Finanztest und deren Empfehlungen zum Vorgehen.
Zum Testaufbau und den Testergebnissen
Das Testurteil ergibt sich aus der Bewertung ausgewählter Merkmale der Versicherungsbedingungen – zu 75% Gewichtung - und den Risikofragen im Antrag – zu 25 % Gewichtung.
Von den rund 70 getesteten Angeboten wurde die Hälfte mit „Sehr gut“ bewertet. Die andere Hälfte überwiegend mit „Gut“, lediglich 4 Angebot nur mit „Befriedigend“.
Was bedeutet das so überwältigend gute Testergebnis?
- Haben die die Versicherer ihre Hausaufgaben gemacht und es sind fast nur empfehlenswerte Angebote zu finden?
- Oder sind die Anforderungen an beste Bewertungen von Finanztest zu niedrig angesetzt worden?
- Oder hat Finanztest einfach nicht genau genug wesentliche Unterschiede identifiziert?
Das der Marktwettbewerb der letzten Jahre zu einer sehr hohen Bedingungsqualität geführt hat, können wir aus Sicht der Versicherungschecker bestätigen.
Aber gerade weil sich die Versicherer so intensiv um die Weiterentwicklung der Tarife kümmern, findet man wesentliche Unterschiede und innovative Leistungen im Detail. Der Finanztest bildet hier nur einen Teil der wichtigen Bedingungskriterien ab. Wir würden einen Großteil der mit "Sehr gut" bewerteten Angebote nur als zweite Wahl anbieten.
Und leider verschafft Finanztest seinen Lesern mit der Darstellung der Testergebnisse auch nicht die benötigte Transparenz zu den Unterschieden der Angebote.
Bewertungsunterschiede schlicht nicht nachvollziehbar

Finanztest benennt zwar die bewerteten Bedingungssachverhalte A bis H. Aber bis auf wenige Ausnahmen erfüllen die Versicherer die Bewertungskriterien, zu erkennen am Quadrat ■.
Trotzdem gibt es bei "Sehr gut" unterschiedliche Punktbewertungen zwischen 0,9 und 1,4. Diese Unterschiede werden aber nicht erläutert. Einzelne bedingungsunterschiede können für den individuellen Kundenbedarf eine sehr hohe Bedeutung haben, evtl. sogar Ausschlusskriterium sein. Deswegen wäre eine nachvollziehbare Bewertung so wichtig.
Für die Antragsbewertung gilt dies umso mehr, da nur eine Gesamtpunktzahl über alle Bewertungskriterien angegeben wird.
Im Ergebnis hilft der Test nicht weiter, weil die konkreten Unterschiede der Angebote nicht zu entnehmen sind.
Tatsächlich empfehlen wir in unserer täglichen Beratungsarbeit einzelne Versicherer aus der am besten bewerteten Spitzengruppe nicht bzw. würden diese nur als zweite Wahl empfehlen.
Bedingungs-Highlights gehen bei Finanztest als Sonderleistungen nicht in die Bewertung ein
Leider gehen von Finanztest sogenannte Sonderleistungen nicht in die Bewertung ein. Das finden wir schon sehr kritikwürdig, da hier wesentliche Bedingungsunterschiede bestehen, die den Wert des Vertrags immens mitbestimmen. Zum Beispiel, ob unabhängig von der Prüfung einer evtl. vorliegenden Berufsunfähigkeit bereits bei längerer Arbeitsunfähigkeit Rentenzahlungen geleistet werden. Ober ob eine Krebserkrankung, die alle Versicherten treffen kann, ohne weitere BU-Prüfung eine Rentenzahlung auslöst.
Kundengruppenunterschiede werden überhaupt nicht berücksichtigt
Unterschiedliche Kundengruppen treffen in den Versicherungsbedingungen der "Sehr gut" bewerteten Angebote auf unterschiedliche Klauseln. Einige Klauseln sind vielleicht nicht relevant, andere Klauseln können für die Tätigkeit ein Ausschlusskriterium darstellen.
- Die Klauseln für Schüler und Studenten sind in allen Produkten andere als für Angestellte
- Beamte brauchen aus unserer Sicht eine Dienstunfähigkeitsklausel, und zwar eine echte, um richtig abgesichert zu sein, wenn ihr Dienstherr sie aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähig nach Hause schickt.
- Für Selbstständige sind die Regeln zur Umorganisation wichtig.
- Ärzte brauchen eine gute Infektionsklausel.
Also - „One Size fits all“ geht in der BU-Versicherung gar nicht! Eine Produktauswahl nach individuellem Bedarf ist ein Muss.
Die Prämienhöhe und das Beitragssteigerungsrisiko gehen nicht in das Testergebnis ein
Es werden zwar Zahlbeiträge und Tarifbeiträge für drei Beispielfälle genannt. Das ist aber schlicht wertlos, da es üblicher Weise bei den Anbietern mindestens 6 Berufsgruppen gibt. Und die Berufe werden von den jeweiligen Versicherern unterschiedlichen Berufsgruppen zugeordnet. Bei den meisten Versicherern richtet sich die Prämie auch noch sehr stark nach Schulabschluss, höchstem Bildungsabschluss, Personalverantwortung u.w. Ein Vorauswahl nach einem günstigen unter den "Sehr gut"-Bewertungen ist daher schlicht nicht möglich.
Was wir allerdings sehr kritisieren ist, dass der Unterschied zwischen Zahlbeitrag und Tarifbeitrag nicht in die Bewertung eingeht. Es gibt Versicherer, die den Zahlbeitrag über die gesamte Laufzeit garantieren, andere haben einen sehr kleinen Spread zwischen den Beitragsangaben. In unserer Beratung stellen wir immer wieder fest, dass das "Beitragssteigerungsrisiko und die finanzielle Leistungsfähigkeit bei Vertragslaufzeiten von rund 30 Jahren eine sehr hohe Bedeutung hat.
Leider fehlt eine Kennzahl zum maximalen Prämiensteigerungsrisiko – der prozentuale Beitragsunterschied zwischen Zahl- und Tarifbeitrag – in den Testergebnissen. Ebenso Hinweise auf die Solvabilität der Anbieter.
Warnung vor der Empfehlung: Finanztest rät zum Do-it-yourself
Zu guter Letzt rät Finanztest-Tipp in den FAQ von individueller Beratung beim Vermittler bzw. Makler ab, da „Leser berichten immer wieder, dass Vermittler sie angestiftet haben, es mit den Gesundheitsfragen nicht so genau zu nehmen".
Wir schließen nicht aus, dass es Fälle gibt, in denen Vermittler bei den Gesundheitsfragen nicht im Interesse des Kunden beraten.
Nun ist es aber gerade Aufgabe des unabhängigen Maklers, dass passende Angebot für seinen Kunden herauszufinden und diesen sehr professionell durch den Antragsprozess zu steuern, insbesondere wenn es gesundheitliche Beeinträchtigungen gibt. Und da stellen wir durch hartnäckiges Nachfragen immer wieder fest, dass es bei Menschen, die sich selbst als kerngesund einschätzen, dann doch für die BU-Versicherer wesentliche ärztliche Untersuchungen in der Vergangenheit stattgefunden haben, die schlicht vom Kunden vergessen wurden. Wir können daher nur die Unterstützung durch den versierten unabhängigen Makler dringend empfehlen.

Dagegen können wir zur folgenden Finanztest-Empfehlung nur eindrücklich warnen:
„Da sich die Ausgangssituation als Antragsteller verschlechtern kann, wenn er mehrere Anträge stellt und abgelehnt wird, sollten Sie die Anträge parallel stellen, am besten mindestens zehn Anträge gleichzeitig. Bei Vorerkrankungen, die aus Ihrer Sicht ein Hindernis sein könnten, sollten Sie eher noch mehr Anträge stellen.“
Dieses Vorgehen hinterlässt in den Branchen-Informationssystemen - vergleichbar den Schufa-Einträgen - extrem viel verbrannte Erde.
Richtig ist dagegen, dass Versicherungsmakler Softwaretools und individuelle Risikovoranfrageprozesse einsetzen, um Annahmeentscheidungen ausgewählter Versicherer anonym vorzuchecken.
Wer schon einmal selbst einen Antrag mit Gesundheitsfragen manuell ausgefüllt hat, der weiß: bei 10 oder mehr unterschiedlichen Antragsformularen wird er schnell an seine Grenzen kommen. Vor allem wird er von 10 oder mehr Versicherern unterschiedlichste Nachfrageformulare für die angegebenen Krankheiten bekommen und gegebenenfalls zu Arztbesuchen aufgefordert werden. Und alles, was dem jeweiligen Versicherer mitgeteilt wurde, muss für die kommenden Jahrzehnte durch den Kunden dokumentiert werden für den Fall einer Leistungsauseinandersetzung.
Um diese Antragsprozesse selbst zu bewältigen, nehmen Sie am besten schon mal Ihren Jahresurlaub.
Dazu kommt noch das Risiko der "vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung". Denn wenn ein Versicherer nach abgelehnten Anträgen fragt, müssen Sie eine Ablehnung den anderen angefragten Versicherern nachmelden. Damit haben Sie das ungewünschte Ergebnis, dass Finanztest eigentlich vermeiden wollte.
Liebe Finanztester – Eure Empfehlung zum Vorgehen ist schlicht ganz grober Unfug.
Aber der Verbraucherschutz kann für seine Empfehlungen ja nicht haftbar gemacht werden, anders als ein Versicherungsmakler nach individueller Beratung seines Kunden und einer falschen Empfehlung.
Unser Testfazit und unsere dringende Empfehlung
Nehmen Sie die Testergebnisse als ersten Marktüberblick und lassen Sie sich von einem versierten unabhängigen Versicherungsmakler beraten und diesen die Antragsprozesse für Sie durchführen. Der Versicherungsmakler schätzt vorab Ihre Gesundheitssituation ein. Er findet für Ihren Bedarf passende Angebote und stellt nur für relevante Versicherer anonyme Risikovoranfragen, um das beste Angebot für Sie zu identifizieren. Gehen Sie nicht direkt zu einem Versicherer – da wissen Sie im Vorhinein nie, wie das ausgeht - ob mit Ablehnung, mit Deckungsausschlüssen oder mit Beitragszuschlag. Dasselbe gilt für die Online-Angebote im Web ohne individuelle unabhängige Beratung.
Und hier finden Sie noch weitere detaillierte Tipps vor Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung.
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